Zeche Schlägel & Eisen in Herten
1874 - 1990
Mit der Zeche Schlägel & Eisen setzte die Entwicklung des Dorfs Herten zur heutigen Stadt ein. Die über
das Stadtgebiet verteilten Einzelanlagen bildeten mit ihren Zechensiedlungen die Keimzellen, die langsam mit der an den
Hauptverkehrsstraßen entstehenden Bebauung zusammen wuchsen. Die baulich einheitlichen Siedlungen sind immer noch gut zu erkennen
und meist ruhige und gepflegte Wohnbereiche. Eine weitere industrielle Entwicklung blieb aus, da Zulieferbetriebe schon im
verkehrsmäßig gut erschlossenen mittleren und südlichen Ruhrgebiet bestanden. Im eher landwirtschaftlichen Umfeld war ein
europaweit agierender Fleischwarenhersteller der größte Arbeitgeber neben dem Bergbau. Lange galt Herten mit einer Förderung
bis zu 36000 t/Tag (zusammen mit der zweiten Zeche - Ewald) als größte Bergbaustadt Europas.
Der Name der Zeche stellt das uralte Arbeitswerkzeug der Bergleute dar, das allgemein zum Symbol wurde. Der Schlägel ist der
Hammer (im Bergbau Fäustel genannt) und das Eisen ein meisselartiges Werkzeug mit Stiel. Damit wurden bis zur Einführung der
Sprengarbeit mit Schwarzpulver ab dem 17. Jahrhundert alle Teuf- und Abbauarbeiten ausgeführt.
Die eigene Förderkapazität der Zeche war zwischen 1973 und 1986 so stark beansprucht, dass ein Teil der Förderung (bis 6200 t/Tag)
über eine Bandanlage unter Tage zur Zeche Westerholt lief. Danach übernahm der umgebaute Wetterschacht 4 die gesamte Förderung,
die seit 1941 im Schacht 7 gehoben wurde. Ab 1990 wurde die Zeche Teil der Verbundanlage Ewald/Schlägel & Eisen.
Damit endete die eigenständige Förderung. Bis etwa 1995 dienten die Schächte weiter der Bewetterung. Der Abbau ging bis in
eine Teufe von 1337 m.
In den ersten Betriebsjahren traten erhebliche geologische Schwierigkeiten auf. Der eigentlich zwingend vorgeschriebene zweite
Schacht war bis 1889 noch nicht abgeteuft, als ein aus der Führung geratener Förderkorb dafür sorgte, dass 224 Bergleute 30
Stunden lang am 31. Oktober in der Grube festsaßen. Danach wurde der Schacht 2 sofort in Angriff genommen. Kurz nach der
Inbetriebnahme 1892 starben drei Bergleute bei einer Schlagwetterexplosion. Der Schacht als zweiter Rettungsweg verhinderte evtl.
ein größeres Unglück. Ab 1898 gehörte die Zeche zur damals staatlichen Hibernia AG, was die Zukunftsaussichten deutlich
verbesserte. Dies galt auch für die Sicherheit unter Tage, da der Staat seine eigenen Vorschriften natürlich genau einhalten
musste. Es kam trotzdem zu Unglücken (1919 Steinschlag, 1922 Dampfkesselexplosion, 1950 Korbabsturz und 1951 ein Strebbruch mit
jeweils drei Toten). Grubenbrände forderten 1940 fünf und 1977 sieben Tote.
Die Anlage 1/2 im Stadtteil Disteln entstand nicht sehr weit entfernt vom Dorf Herten. Die 1877 einsetzende
Förderung war durch ungünstige geologische Bedingungen relativ niedrig. Die symbolträchtige Menge von 100000 t im Jahr wurde
erst 1886 erreicht. Die Schächte lagen genau im Bereich einer lokalen Störung. Da zu Beginn keine Fettkohle angetroffen wurde
entfiel der Bau einer Kokerei. Da die Förderung hier schon 1940 endete blieben die Betriebsanlagen relativ klein. Die Schächte
blieben offen. Der Schacht 1 wurde 1971 aufgegeben und verfüllt und der weiter als Luftschacht genutzte Schacht 2 benötigte wenig
Fläche. Im Rahmen der Umstrukturierung der Zechenbetriebe unter Tage wurde hier 1975 die erste zentrale Kälteanlage für das gesamte
Baufeld errichtet. Über Tage befanden sich Aggregate für eine Sole, die bis auf -5°C heruntergekühlt wurde und unter Tage das
Einspeisen von 5°C kaltem Wasser garantierte. Dieses kam mit bis zu 28°C aus den Abbaubetrieben an den Wärmetauschern an.
Nach der Stilllegung dauerte es recht lange bis zur endgültigen Neunutzung. Der Bereich der Schächte war bis etwa 2015 noch nicht
saniert. 2012 wurde das letzte Betriebsgebäude abgerissen. Danach konnte sich schnell ein kleines Gewerbegebiet entwickeln. Im
Haldenbereich entstanden Wohnungen und Gewerbebetriebe und auf der restlichen Fläche ein neues Zentrum mit Einkaufsmöglichkeiten
für den täglichen Bedarf. Der Schacht 2 ist mit einem Gebäude überbaut, die Protegohaube an der Fassade hochgezogen. Der Schacht 1
war lange an Fundamentresten erkennbar, die inzwischen abgeräumt sind. Der Deckel der Revisionsöffnung liegt vor dem Eingang
eines Baumarkts. Der einzige direkt erkennbare Bergbaubezug ist die neben einem Parkplatz aufgestelle Seilscheibe.
Der Standort mit den Schächten 3/4/7 entwickelte sich zur Hauptförderanlage mit den typischen kompakt angeordneten
Betriebsgebäuden einer Großzeche. Die Tagesanlagen wurden mehrfach umgebaut. Das Jahrzehnte den Stadtteil prägende Aussehen erhielt
die Anlage mit dem Abteufen von Schacht 7, der 1941 in Betrieb ging. Die relative Enge des Zechenareals machte das teilweise Abtragen
der Zechenhalde nötig. Das Hochdruckkraftwerk für die Dampf- und Pressluftversorgung entstand auch in dieser Zeit.
Es wurde wegen Platzmangels für die Zeit ungewöhnlich hoch gebaut. Da die Gesamtanlage im 2. Weltkrieg keine größeren Schäden erlitt
war sie beim Wiederaufbau der Infrastruktur der Hiberniazechen, zu denen sie gehörte sehr wichtig. Das Kraftwerk versorgte andere Anlagen
solange, bis deren Kraftwerke wieder funktionierten. Hier zahlte sich aus, dass schon früh ein Verbundsystem bestand (bei vielen Zechen
deutlich später). Der Schacht 7 verlor seine Funktion als Förderschacht mit dem Umbau von Schacht 4. Dieser war ab den 1970er Jahren
der Hauptförderschacht.
Die recht große Betriebsfläche bildete nach der Stilllegung ein Problem für den Stadtteil Langenbochum. Der Hauptkomplex der Zeche
stand noch bis auf die Kohlenmischhalle, das Gelände lag ansonsten brach. Seit 2009 bemühte sich die Entwicklungsgesellschaft
Schlaegel & Eisen (EGSE), eine gemeinsame Gesellschaft der Stadt Herten und der RAG Montan Immobilien die Fläche zu einem Standort
für Handwerksbetriebe und Kleinunternehmer zu entwickeln.
Die Verwaltungsgebäude wurden teilweise von der RAG und Siemens genutzt und später von der Stadt Herten, die während der
Rathaussanierung hierhin einen Teil der Ämter auslagerte. Ab 2013 kamen die restlichen nicht weiter nutzbaren Gebäude zum Abriss.
Dabei verschwand das Strebengerüst von Schacht 7 (in vollwandiger Ausführung). Diese Bauart wurde etwa ab den 1930er Jahren fast
überall bei neuen Schächten zum Standard. Das Gerüst von Schacht 3 steht unter Denkmalschutz als ältestes erhaltenes deutsches
Strebengerüst mit drei Streben. Diese entstanden quasi durch die Verbindung von zwei direkt nebeneinander stehenden Gerüsten. Sie
erwiesen sich aber als weniger leistungsfähig und wurden nicht weiter entwickelt. Schacht 4 hat ein Stahlkastengerüst, das ab den
1960er Jahren oft gebaut wurde.
Etwa ab 2016 sind neue Gewerbeflächen für die regionale Wirtschaft verfügbar, insgesamt etwa sieben Hektar. Die Grundstücke liegen
zwischen 1000 und etwa 3000 m². Dazu kommen etwa zwölf Hektar mit einem Stadtteilpark, durchgängigen Fuß- und Radwegeverbindungen
und der "Allee des Wandels". Ein überregionaler Radweg auf der Zechenbahntrasse verbindet die ehemaligen Bergwerksstandorte in Herten.
Das städtebauliche Gesamtkonzept scheint zu funktionieren. Aktuelle Informationen dazu sind unter
Stadt Herten zu finden.
Im Stadtteil Scherlebeck entstand die Anlage Schlägel & Eisen 5/6. Förderbeginn war 1901. Auf der Anlage wurde schon
früh der selbständige Betrieb eingestellt. 1929 endete die Förderung und ab 1931 wurden die Schächte nur noch zur Bewetterung genutzt,
die Kohlenvorräte von den Anlagen 1/2 und 3/4 aus abgebaut. Ein Teilfeld wurde an die Zeche
Westerholt verpachtet. Schacht 5 blieb
bis 1998 in Betrieb.
Hier sind eine Reihe Gebäude in historisierender Backsteinarchitektur erhalten. Ein typisches Element ist der Uhrenturm am Zecheneingang,
der ähnlich auf vielen Zechen zu finden war. Genutzt werden die Gebäude u.a. von der AWO und dem Förderverein Maschinenhaus Scherlebeck
Schacht 5 e.V., der Kunstausstellungen organisiert. Etwas skurril ist die Nutzung für die Ausstellungen eines Kaninchenzuchtvereins.
Solche Vereine gabe es im Umfeld einer Zeche immer - heute fast ausgestorben. In der dazu genutzten Maschinenhalle steht die letzte
erhaltene Tandemdampffördermaschine Westfalens. 2003 enstand als erster Neubau ein evangelisches Gemeindezentrum und später wurde der
nördliche Bereich u.a. mit Wohnungen und einer Seniorenwohnanlage bebaut.
Der Schacht 5 liegt mit einer Protegohaube im Grünstreifen zwischen der Wohnbebauung und einem Lebensmitteldiscounter. Auf dem dazu
gehörenden Parkplatz liegt der Schacht 6.
Ein passagenweise leicht klischeehafter (für mich zuviel Nostalgie) Film zur Arbeit des Fördervereins kann unter
Kurzfilm 2018 - Maschinenhaus Scherlebeck angesehen werden.
Der Schacht 8 wurde für die Bewetterung des nördlichen Feldes nötig und lag auf dem Gebiet der Stadt Marl in
einer ländlich geprägten Umgebung. Direkt an ein Waldstück angrenzend ist das Gelände leicht zu übersehen, da nur einige flache
Betriebsgebäude erhalten sind. Diese werden wie die ehemalige Betriebsfläche von der Beschäftigungsgesellschaft
die werkstatt brassert seit 2011 genutzt. Hier erhalten Geringqualifizierte
und Langzeitarbeitslose Unterstützung mit dem Ziel einer dauerhaften Beschäftigung. Der Schacht liegt mitten im Lehrgarten in
einer Umzäunung und ist nur mit einem Rohr markiert. Die fehlende Protegohaube deutet darauf hin, dass der Schacht keine Einbauten
bis auf die Befahrung hatte und daher keine Ausgasung zu erwarten ist. Verfüllt wurde der Schacht im Jahr 1989.
Übersicht Schachtdaten
Schacht |
Teufbeginn |
Inbetriebnahme |
Stilllegung |
max. Teufe (m) |
Kokerei |
1 |
1874 |
1877 |
1971 |
898 |
|
2 |
1890 |
1892 |
2000 |
1197 |
|
3 |
1895 |
1897 |
1991 |
703 |
1903 - 1945 |
4 |
1900 |
1902 |
1996 |
1240 |
|
5 |
1898 |
1901 |
1998 |
1237 |
|
6 |
1900 |
1901 |
1969 |
734 |
|
7 |
1937 |
1941 |
2000 |
1192 |
|
8 |
1957 |
1960 |
1989 |
814 |
|
maximale Förderung 2.030346 t 1975
durchschnittlich 1 - 2 Mio. t/a
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- Schacht 1/2 im Jahr 1949
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- Schacht 1 mit letztem Gebäude um 2010
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- Schacht 1 um 2012
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- Schacht 1 um 2010
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- Schacht 1 im Jahr 2017
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- Schacht 1 im Jahr 2017
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- Schacht 1 im Jahr 2017
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- Schacht 2 um 2000
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- Schacht 1 im Jahr 2010
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- Schacht 2 um 2010
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- Schacht 2 im Jahr 2012 mit Protegohaube
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- Schacht 2 im Jahr 2012 mit Protegohaube und Lotungseinrichtung
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- Schacht 2 im Jahr 2016 noch ohne Ptotegohaube
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- Schacht 2 im Jahr 2017
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- Schacht 2 im Jahr 2017
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- Seilscheibenhälfte neben einem Parkplatz
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- Seilscheibehälfte Nahansicht
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- Infotafel am Sockel
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- Einkaufszentrum an Schacht 1 und 2
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- Schacht 3 beim Bau im Jahr 1897
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- Schacht 3 im Jahr 2012
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- Schacht 3 im Jahr 2012
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- Schacht 2 im Jahr 2017
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- Schacht 4 im Jahr 2012
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- Schacht 4 im Jahr 2017
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- Schacht 7 im Jahr 2012
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- Schacht 7 im Jahr 2012
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- Schacht 7 im Jahr 2017
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- Schacht 7 im Jahr 2017
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- Schacht 7 im Jahr 2017
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- Schacht 3/4/7 im Jahr 1958
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- Schacht 3/4/7 im Jahr 1958
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- Schacht 3/4/7 im Jahr 2012
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- Schacht 3/4/7 im Jahr 2012
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- Schacht 3/4/7 im Jahr 2012
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- Schacht 3/4/7 im Jahr 2017 Gewerbeflächen
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- Schacht 3/4/7 im Jahr 2017 Parkseite
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- Fittnessangebot im Park
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- Folgenutzung am Zecheneingang
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- Information zum Umbau der Kaue
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- Arbeiten in der Kaue im Jahr 2017
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- Schacht 5 im Jahr 1949
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- Schacht 5 1990er Jahre
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- Wohnbebauung am Schacht 5 im Jahr 2012
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- Protegohaube Schacht 5 im Jahr 2012
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- Schacht 6 Folgenutzung
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- Revisionsöffnung von Schacht 6
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- AWO-Einrichtung am Schacht 5/6
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- Maschinenhaus am Schacht 5/6
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- Uhrenturm am früheren Zechentor von Schacht 5/6
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- Dampfmaschine von Schacht 5
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- Dampfmaschine von Schacht 5
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- Dampfmaschine von Schacht 5
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- Schacht 8 Eingangsbereich im Jahr 2012
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- Schacht 8 Betriebsgebäude
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- Schacht 8 Einzäunung
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- Schacht 8 Einzäunung
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- Rohr auf Schacht 8
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