Zeche Hibernia in Gelsenkirchen-Altstadt

1855 - 1925


Übersicht Hibernia


Der irische Zechengründer Thomas Mulvany benannte die Zeche nach seiner Heimat, deren lateinische Bezeichnung Hibernia lautet. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts fand der Übergang zu Tiefbauzechen statt, die den stark wasserführenden Mergel durchteufen mussten, der nördlich der Ruhr das kohleführende Karbon überdeckt. Das nötige Kapital kam oft aus den früh industrialisierten Montanregionen Englands, wo auch viele Iren tätig waren. Die spätere gleichnamige Zechengesellschaft betrieb im nördlichen Ruhrgebiet mehrere Zechen.
Schürfscheine waren schon 1846 ausgestellt worden. Es fehlte neben dem Kapital auch die nötige Abteuftechnik. Beides brachte Mulvany mi, der 1854 das Grubenfeld kaufte und im folgenden Jahr mit dem Abteufen begann. Dabei wurden zum ersten mal in Deutschland Gusseisentübbings eingesetzt. Damit gelang das Abteufen der beiden Schächte ohne die sonst auftretenden Wassereinbrüche. Dieses Verfahren etablierte sich und wurde um 1910 vom Gefrierverfahren abgelöst, bei dem der instabile Bereich der wasserführenden Schichten vereist wird und damit wie festes Gestein behandelt werden kann.
Die Zeche entwickelte sich gut. 1860 wurde die Seilfahrt erlaubt (eine der ersten Zechen im Ruhrrevier). Das nahe gelegene Dorf Gelsenkirchen wuchs schnell zur einer Industriegemeinde (1855 1030 Einwohner, 1900 36000). Durch die Lage am Rand der sich schnell entwickelnden Innenstadt war der Kohleabbau später stark eingeschränkt, um Bergschäden zu vermeiden. Die Stilllegung 1925 hängt damit zusammen, da die noch anstehenden Vorräte damals nicht wirtschaftlich abgebaut werden konnten. Bis 1927 lief ein bescheidener Restbetrieb. Es wurde noch knapp 2000 t Deputatkohlen abgebaut. Von 1928 bis 1943 war die Zeche an die Versuchsgrubengesellschaft mbH verpachtet. Es wurden neue Abbautechniken getestet und Versuche zur Sicherheitstechnik durchgeführt. In dieser Zeit wurden 4000 - 6000 t/a für Eigenverbrauch und Deputate abgebaut, maximal 9028 t 1940. Teile des Grubenfelds wurden ab 1941 an Nachbarzechen verpachtet. Schacht 1 übernahm Dahlbusch, Schacht 3 Consolidation. Sie blieben für die Bewetterung offen. So konnten die noch vorhandenen Kohlenvorräte abgebaut werden, die nicht unter der dicht bebauten Gelsenkirchener Innenstadt lagen.
Wohl war das Abteufen ohne Schwierigkeiten gelungen, Unglücke blieben aber nicht aus. 1872 unterbrachen die Folgen eines Grubenbrands die Förderung monatelang. Verheerende Schlagwetterexplosionen forderten 1887 52 Tote, 1891 57 und 1894 noch einmal drei.


Hibernia
Die ehemaligen Betriebsanlagen auf der relativ kleinen Betriebsfläche wurden nach der Stilllegung komplett abgeräumt. Diese grenzte ursprünglich ebenerdig an den Gelsenkirchener Hauptbahnhof, zu dem auch das Zechenanschlussgleis führte. Die heutige Situation entstand mit dem Anheben der Gleise. Der Bahndamm bildet zwar eine Barriere, aber die früheren Bahnübergänge brachten den Verkehr in der Innenstadt quasi zum Erliegen, da ständig zusätzlich zum üblichen Verkehr der Rangierbetrieb beim Kohletransport kam. Diese Gemengelage aus Siedlung und Industrie ist heute kaum noch vorstellbar, war in der Zeit der Gründerjahre aber überall in Deutschland üblich, wobei das Ruhrgebiet sicher das Extrem darstellte.
Auf dem früheren Zechengelände liegen heute die Hauptpost und das frühere Fernmeldeamt mit seinem Funkturm. Über den südlichen Teil führt die neu angelegte Hiberniastraße, die eine starke Verbesserung des Verkehrsflusses und die Anlage des zentralen Busbahnhofs mit gleichzeitigem Umbau des Bahnhofumfeldes zu einer Fußgängerzone ermöglichte.
Im Grünstreifen am Bahndamm versteckt liegt der Schacht 1. Der Schachtdeckel und ein Schild mit den Koordinaten auf dem Rohrstutzen der Nachfüllöffnung markieren ihn. Nach Westen schließen sich Gewerbetriebe an. Über Schacht 2 am Rand des Postparkplatzes steht eine Protegohaube. Der auch im Parkplatzbereich liegende Schacht 3 ist am Schachtdeckel erkennbar, der im Bereich eines Materiallagers liegt. Die dazu gehörende Protegohaube sitzt auf dem Dach des Fernmeldeamts. Vor dem Fernmeldeamt ist zur Erinnerung an die Zeche eine Seilscheibe aufgestellt.

Übersicht Schachtdaten

Schacht Teufbeginn Inbetriebnahme Stilllegung max. Teufe (m) Kokerei
1 1855 1858 1961 911 1891 - 1910
2 1857 1861 1925 710  
3 1891 1894 1964 710  


maximale Förderung 493072 t 1884

durchschnittlich 250000 - 330000 t/a


Die Geschichte von Hibernia ist auch die des irischen Industriepioniers Mulvany. Er arbeitete für den englischen Staat als Ingenieur für Binnenschifffahrt und Entwässerung. Bis 1846 hatte er es zum Royal Commissioner gebracht, einem der höchsten Ämter im Staat. Der Regierungswechsel 1842 führte zu einer noch stärkeren Diskriminierung der katholischen Iren als zuvor. Die fehlende Unterstützung bei der Hungersnot 1846 war mit ausschlaggebend für Mulvanys weiterer Lebensplanung. Mit 46 Jahren schied er aus dem Staatsdienst aus und ging mit seiner Familie nach Westfalen auf Wunsch eines befreundeten Landsmanns. Damit begann eine einzigartige Entwicklung nicht nur in Gelsenkirchen. Da die Fachleute vor Ort nicht existierten warb er erfahrene Bergleute in England an. Dazu gehörten der Ingenieur Coulson ("der" Tübbingexperte) und William Patterson als Schachtsteiger. Sein Sohn war der letzte Überlebende der Einwanderer aus der Gründerzeit beim 80jährigen Jubiläum der Zeche im Jahr 1936. Symbolträchtig ist auch das Datum, der 17. März. Es ist der "St. Patricks Day" (irischer Nationalfeiertag).
Viele der angeworbenen Iren und Engländer brachten ihre Familien mit. Die Kinder wurden in einer Schule auf dem Zechengelände unterrichtet. Sie heirateten Deutsche und waren schnell integriert. Trotzdem kam es zu Repressalien im 1. Weltkrieg. Auch wenn die meisten der Nachkommen trotz ihrer Familiennamen kein Englisch konnten zählte die Herkunft. Wer nicht nach Ruhleben in der Nähe von Berlin interniert wurde musste sich zweimal täglich bei der Polizei melden. Alle anderen im Umkreis von 40 km um Essen herum (wohl wegen der Rüstungsbetriebe bei Krupp) waren gezwungen sich ausserhalb eine neue Beschäftigung zu suchen.
Die Umsetzung eines Plans, den Mulvany anstieß erlebte er nicht mehr. Er machte schon 1877 Vorschläge für ein Kanalnetz in Nord- und Mitteldeutschland, wobei er auf seine berufliche Erfahrung zurückgreifen konnte.


Hibernia 1
Schacht 1
Hibernia 1
Schacht 1
Hibernia 2
Schacht 2 von Schacht 1 gesehen
Hibernia 2
Schacht 2
Hibernia 2
Schacht 2 mit Parkplatz
Hibernia 2
Schacht 2 Protegohaube
Hibernia 3
Schacht 3 im Lagerplatz
Hibernia 3
Schacht 3 hochgezogene Protegohaube
Hibernia 1/2
1860 mit hölzernen Gerüsten
Hibernia 1/2
Hibernia 1/2 1880 mit eisernem Grüst über Schacht 1
Hibernia 1/2/3
Hibernia 1/2/3 1920er Jahre
Seilscheibe
Seilscheibe

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