Strontianitbergbau im Münsterland

1840 - 1945

Strontianit Übersicht


Neben der Kohle gibt es weitere Mineralien, die im Umfeld des Ruhrgebiets gewonnen wurden z.B Bleierze. Im Nordwesten überschneiden sich im Bereich der Schachtanlagen Heinrich Robert, Westfalen und Hermann die Kohlelagerstätte und ein oberflächennahes Vorkommen von Strontianit. Benannt ist es nach den ersten Fundort Strontian in Schottland.
Hierbei handelt es sich um ein Mineral, das chemisch als Strontiumcarbonat angesprochen wird. Im südlichen Münsterland ist es in Gängen der hier anstehenden Kreide (Cenomanstufe) angereichert. Ungefähr 100 Gänge sind bekannt, wobei abbauwürdige Längen von 100 bis 600 m bestanden. Die Mächtigkeit betrug meist 10 - 15 cm, in größeren Teufen etwa 30 - 40 cm. Weltweit gibt es kein vergleichbares Vorkommen. Die Gänge entstanden nicht gleichzeitig. Es gab bis zu drei Phasen der Kristallisation.
Der Auslöser für den Bergbau auf Strontium war etwas ungewöhnlich. 1871 gelang es dem Chemiker Max Fleischer mit Hilfe des Minerals die Melasse von Zuckerrüben zu entzuckern. Vorher war die Melasse kaum verwertbar. Der gewonnene Zucker war nebenbei von sehr guter Qualität. Es setzte eine Art Goldrausch ein und in kürzester Zeit entstanden bis zu 2200 Bergwerke. Die meisten waren Minipütts wie bei den Kleinbetrieben des Steinkohlebergbaus nach dem 2. Weltkrieg. Einige Betriebe erreichten Größen, die als industriell bezeichnet werden können. Diese konnten sich Pumpen leisten, die das extrem starke Grubenwasser kurz hielten. Dies gelang Betrieben mit einfachstem Tiefbaubau nicht. So ersoff z.B. ein nur 4,5 m tiefer Schacht bei Sendenhorst. Das sehr schlammige Wasser brachte auch Probleme bei kleinen Bachläufen und Teichen. Erst nach dem Bau von Klärbecken über Tage und Absetzbecken unter Tage endeten die Beschwerden.
Das Wasser wurde z.T. mit Hilfe von Lokomobilen gepumpt. Es fiel überwiegend auf den oberen Sohlen an. Die Zuflüsse waren so groß dass auf der Grube Elise trotz zweier starker Lokomobile die oberen Sohlen als "ausgesprochene Rheumatismusbaue" bezeichnet wurden. Nur im Raum Ahlen wurde ein Schacht zur Wasserhaltung umgebaut. Er versorgte die Zentralwäsche der Gruben Glückauf und Droste. Ab 1955 diente die Anlage als Wassserwerk für die Stadt Ahlen.
Die Fotos einer dieser Kleinstbetriebe zeigen auch ein eher rustikales Bild. Holzschuhe und einfache Kleidung mit alltäglicher Kappe oder Hut. Arbeitsgerät ist eine einfache Hacke. Gefördert wird mit einem Handhaspel. Der Schacht war nur wenige Meter tief (am aufgewickelten Seil abschätzbar). Wahrscheinlich ist auch die gesamte Belegschaft abgebildet.
Eine kurze Übersicht zum Strontianitbergbau erschien 2007 bei Westfalen Regional.


Strontianitgänge

Strontianitabbau
Die Strontianitgewinnung begann in kleinem Rahmen schon 1840 (20 bis 50 Kleinstbetriebe). Bis 1885 stiegen Produktion und Beschäftigtenzahl stark an (über 7800 t/a und rd. 2200). Danach brach die Konjunktur zusammen. Die Zuckerindustrie erlebte eine Krise und ab 1883 ersetzte das hochwertigere und vielerorts gefundene Coelestin (Strontiumsulfat) das Strontianit. Danach wurde in kleinem Rahmen immer wieder ein Abbau betrieben, der sich nur noch im Bereich von wenigen Hundert Tonnen pro Jahr bewegte. Nur durch die Autarkiepolitik des Naziregimes dauerte diese Phase bis 1945 an. Strontium wurde beim Entschwefeln von Stahl gebraucht und in geringen Mengen in der Rüstungsindustrie (Leuchtraketen).
Mit dem Bergbau kam Geld in das bisher fast nur landwirtschaflich geprägte Münsterland. Die Bauern erhielten Geld für die Abbaurechte (wurden aber auch übervorteilt) und die zugezogenen Bergleute brauchten Unterkünfte und Verpflegung. Die Löhne waren teilweise so hoch wie auf den Steinkohlezechen. Viele Steiger kamen aus dem Eisenerzbergbau (Siegerland und Umgebung). Da sie meistens evangelisch waren kam es nur zu einer geringen Integration (etwa 50 Eheschließungen sind bekannt) und nach 1882 zogen viele Bergleute wieder weg. Beim später wieder einsetzenden Abbau kamen überwiegend Einheimische zum Einsatz, oft als Tagelöhner.
Der Niedergang der Industrie hatte weitere Gründe. Es bestanden logistische Probleme beim Transport des relativ schweren Minerals. Es gab nur das auf die noch nicht industrialisierte Landwirtschaft ausgerichtete Wegenetz, das für einen Transport ungeeignet war. Zusammen mit den fehlenden Kommunikationsstrukturen zu den Abnehmern waren dies weitere Gründe für den Niedergang. Als die Bestellungen der Zuckerindustrie wieder stiegen konnten sie oft nicht zeitnah bedient werden.
Der Schwerpunkt des Abbaus lag im Bereich von Ascheberg. Hier befand sich auch eine der wenigen "Großzechen" - Elise. Sie baute Strontianit auf fünf Sohlen bis zu einer Teufe von 57 m ab. Letzte Spuren sind Reste von Halden und Vernässungen oder Tümpel.
Wie die nebenstehende Karte zeigt waren die meisten Betriebe schon vor der Jahrhunderwende ausgelaufen. Nördlich von Ahlen waren damals nur kleine Aufhaldungen als Reste zu erkennen (Pfeile in der Karte). Selbst auf Luftbildern mit hoher Auflösung sind von den größten Betrieben keine erkennbaren Reste zu finden, bestenfalls kleine Baum- oder Strauchgruppen.
Heute wird Strontium nur noch in der Pyrotechnik und für Kathodenstrahlröhren und Dauermagnete gebraucht. Das Material dafür kam in den 1980er Jahren überwiegend aus Mexiko. Dort gab es damals die einzige Mine weltweit (mutmaßlich Ojuela Mine nordwaestlich von Mexiko City). Daneben wird seitdem auch in China bei Tongling Strontium gewonnen als Nebenprodukt eines sehr vielfältigen Erzabbaus.

Chemische Formel: Strontianit SrCO3 und Coelestin SrSO4


Wickesack

Wickesack

Bertha-Maria-Gang
Ein Beispiel für den Abbau ist das Bergwerk Wickesack südwestlich von Ascheberg. Es gehörte zu den größeren Betrieben. Der Erzgang war etwa 1,7 km lang. Begonnen wurde mit dem Abbau 1898 unter dem Namen Wilhelm I. Nach einer Unterbrechung ab 1906 gab es eine zweite Betriebsphase von 1911 bis 1914 als Wilhelm II.
1941 begann eine neuer Abbau unter dem Namen Wickesack (Grundstückseigentümerin). 1945 endete der Betrieb durch Kriegseinwirkungen. Wahrscheinlich wäre er auch so ausgelaufen, da er nur aufgrund der Autarkiepolitik des NS-Regimes wieder aufgenommen wurde. Die Grube soff ab. Der Abbau fand auf insgesamt neun Sohlen statt. Er war der letzte aktiv betriebene.
Der Förderschacht hatte eine Teufe von 102 m. Der Pumpen-/Wetterschacht war 92 m tief und das Wetterüberhauen 14,5 m. 1950 wurden alle Schächte verfüllt, gesichert und mit einer einen Meter dicken Erdschicht überdeckt. Außer dem Haldenrest ist nichts mehr von der Anlage erkennbar. Ein Teil der Halde wurde für Bau der A1 abgetragen.
Die vielen kleinen Gruben bereiteten ihr Erz nicht selbst auf und brachten es zu größeren Betrieben, etwa der Grube Eleonore. Hier gab es Steinbrecher und Separiertrommeln.
Ein Beispiel für eine besonders ergiebige Lagerstätte ist der Bertha-Maria-Gang bei Drensteinfurt. Er wird durch eine Störung unterbrochen und um etwa 20 Meter horizotal versetzt. Einige Quergänge verlaufen auch längs von Störungen. Die kleinere dürfte vor der Gangbildung bestanden haben, die nördliche später. Bei dieser handelt es sich um einen Sprung mit vertikalem Versatz. So endet hier der Gang. Die große Zahl der Schächte deutet auf eine große Menge an abgebautem Strontianit, ebenso die erhaltenen Halden.

Strontianit
Wie schmal die Erzgänge waren zeigt dieses Bild
Strontianit
Ein dreifach ausgebildetes Gangstück
Strontianit
Ein größerer Brocken
Strontianit
Sehr schön auskristallisierter Strontianit
Strontianit
Übersicht der Zahl der Belegschaften und der Förderung
Strontianit
Belegschaft eines Betriebs in Hoetmar 1932
Strontianit
Der dazu gehörende Betrieb
Boyenstein
Belegschaft eines "Großbetriebs" (Boyenstein) um 1884
Gertraud
Typischer Betrieb (Gertraud) um 1885
Eleonore
"Großbetrieb" Eleonore
Eleonore
Eleonore - Steinbrecher
Eleonore
Eleonore - einfache Sortiertrommel
Elise
Profil der Grube Elise

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