Zeche Niederberg in Neukirchen-Vluyn
1911 - 2001
Das Grubenfeld der Schachtanlage Niederberg wurde schon 1857 verliehen. Da es damals weitab von aktiven Zechen
lag und für die Erschließung viel Kapital nötig war, dauerte es bis 1912 zum Abteufen des ersten Schachts. Ausschlaggebend war
der Bau einer Bahnlinie, ohne die keine Kohle transportiert werden konnte. Betreiber war die Niederrheinische Bergwerksgesellschaft.
Mit der Kurzform Niederberg wurde auch die Zeche benannt, offiziell ab 1970.
Da kaum kokstaugliche Kohle anstand wurde Niederberg eine reine Hausbrandzeche. Bis 1954 wurde Esskohle abgebaut, die ihren Namen
durch die Verwendung in der Schmiedefeuerung (Esse) erhalten hatte. Dazu kam später noch der Absatz an kleine Heizkraftwerke
für Fernwärmenetze. Hierfür entwickelte man ein Prokukt aus gemahlener Kohle, das wie Öl in Tankwagen transportiert wurde und in
speziell entwickelten Heizkesseln zum Einsatz kam. Es wurde unter dem Namen Carborat vertrieben. Ab 1957 lieferte ein Kraftwerk Strom in
das öffentliche Netz und bildete ein weiteres Standbein der Zeche. Trotz schon früh eingeführter Mechanisierung unter Tage konnte
langfristig kein Profit erzielt werden. In den 1960 Jahren konnte die Förderung noch gesteigert werden, da die meisten Hausbrandzechen
stillgelegt wurden und eine Zeit lang die Zeche Niederberg den Förderausfall kompensierte. Von den 10000 t Tagesförderung Mitte der
1960er Jahre waren 70% Anthrazit und die Zeche damit die größte Anthrazitzeche Europas.
Die beiden Ortteile Vluyn und Neukirchen wuchsen langsam mit der dazwischen liegenden Zeche und ihren Werkssiedlungen zusammen.
Ansonsten blieb das ländliche Umfeld erhalten, da im Bereich der weiteren Schächte nur kleinere Werkssiedlungen entstanden und
keine größeren Betriebe wie im Kernruhrgebiet um die Zeche herum entstanden.
2001 wurde die Förderung eingestellt, da der Absatzmarkt wegbrach und zudem Importkohle deutlich preiswerter war und die Zeche dem
Bergwerk West (Kamp-Lintfort) angegliedert. Unter Tage bestand seit 1987 eine Verbindungsstrecke. Ein Weiterbetrieb fand nicht mehr
statt. Die Anlagen wurden nach 2002 zum größten Teil abgerissen und die Schächte verfüllt.
Bis 1958 ereigneten sich keine größeren Unglücke. In diesem Jahr starben acht Bergleute bei einer für die Kohlelagerstätte untypischen
Schlagwetterexplosion. 1967 forderten zwei Strebbrüche jeweils fünf Todesopfer und 1999 wurden drei Bergleute bei der Reparatur einer
Dieselkatze. Dabei entzündete sich Kohlenstaub oder Methan.
Als letzte große Schachtanlage am Niederrhein wurden die Schächte Niederberg 1 und 2 in Neukirchen-Vluyn
abgeteuft. Erst in der Mitte der 1950er Jahre wurde der Abbau so weit ausgedehnt, dass neue Schächte geteuft wurden. 1967
ging der Schacht 5 in Betrieb. Er wurde mit dem Aufschluss der 5. Sohle benötigt, da eine Umrüstung von Schacht 1 oder 2 nicht
ausreichte. Er wurde als Turmförderanlage in Stahlbeton ausgeführt und prägte das Gesamtbild der Zechenanlage. Hier wurde bis zur
Stilllegung die gesamte Förderung gehoben.
Die Gerüste von Schacht 1 und 2 sind mit den Födermaschinenhäusern als Denkmal erhalten. Das Stebengerüst in Fachwerkbauweise
auf Schacht 1 ist original erhalten. Über Schacht 2 steht eine jüngers Gerüst in Stahlkastenbauweise. Beide sind typische
Bauformen, die in gesamten Ruhrgebiet verbreitet waren. Erhalten sind die Fördermaschinenhäuser, das Maschinenhaus und die
beiden Torhäuser. Am ehemaligen Gebäude der Grubenwehr befindet sich die Methangasabsaugung. Auf der umliegenden freigeräumten
Fläche (bis auf das ehemalige Magazingebäude) sollen langfristig Gewerbebetriebe entstehen.
Die gesamte Fläche um den Schacht 5 herum ist komplett abgeräumt. Westlich davon ist Wohnbebauung entstanden. In dem verbindenden
Stadtquartier zwischen den Ortsteilen Neukirchen und Vluyn lebten 2020 etwa 900 Personen. Diese positive Entwicklung soll sich
im westlichen Bereich fortsetzen. Ende 2019 wurde ein städtebauliches Konzept mit insgesamt 52 Einfamilienhauseinheiten vorgestellt.
Die tatsächliche Anzahl wird sich aus den individellen Wünschen ergeben (Einzel-/Doppel- oder Reihenhäuser).
Die Achse Schacht 5 - Schacht 1/2 ist landschaftsgärntnerisch gestaltet und dient der Naherholung und ist gleichzeitig eine
Frischluftschneise. Der Schacht 5 liegt unter einer Aufschüttung. Darauf sitzt eingezäunt eine Pegelanlage zur Messung des
Standwassers unter Tage. Der Schacht wurde nach dem Bergwerksdirektor Heinz Merkel (1952 bis 1969) benannt.
Zur Erschließung des Südfeldes wurde in Kapellen der Schacht 3 abgeteuft. Der Schacht 2 reichte für die
Bewetterung nicht mehr aus. Da er auch zur Seilfahrt dienen sollte wurden in der Nähe Zechenwohnungen gebaut. Ursprünglich war
eine größere Anlage geplant. Die Lagerstätte war aber so stark gestört, dass die nötigen Vorräte nicht ausreichten. Der Abbau
in diesem Feldteil wurde ab den 1980er Jahren weitgehend eingestellt. Heute ist das Gelände abgeräumt und das anfallende Methan
wird in einem Blockheizkraftwerk verwertet. Langfristig soll die Fläche renaturiert werden.
Im Jahr 2003 wurde das Schachtgerüst in 25 Teile zerlegt. Es sollte in Herzogenrath zur Attraktion des dort am ehemaligen
Schacht Adolf der EBV-Zeche wieder aufgestellt werden. Offenbar wegen der Kosten wurde das Projekt möglich unauffällig beerdigt.
Ausser einem "Jubelartikel" in der Mitarbeiterzeitschrift der DSK ist dazu nichts mehr zu finden. Der Erhalt des Gerüst wäre
inressant gewewsen, hätte am vorgesehenen Standort aber das historische Bild verfälscht. Ein solches Gerüst hat es im Aachener
Revier nie gegeben.
Als weiterer Schacht zur Erschließung des Westfeldes wurde in Kempen der Schacht 4 abgeteuft. Er war nach
dem Schacht 4 der Zeche Friedrich Heinrich der zweitwestlichste Schacht im gesamten Revier. Auch hier enstanden Wohnungen für
die Bergleute in direkter Nachbarschaft. Von hier aus wurden ab den 1980er Jahren die Kohlenvorräte im Nordosten des Grubenfelds
erschlossen und abgebaut.
Das Fördergerüst ist in Stahlkastenbauweise (Bauart Dörnen) erstellt und ist eines der letzten erhaltenen dieser Bauart. Durch
die Lage direkt neben der A40 ist es auch eine Landmarke. Das Gelände sah 2015 noch wie zu Betriebszeiten aus. Auf jeden Fall
soll das inzwischen unter Denkmalschutz stehende Fördergerüst erhalten bleiben. Dafür hatte eine Bürgerinitiative lange gekämpft.
Übersicht Schachtdaten
Schacht |
Teufbeginn |
Inbetriebnahme |
Stilllegung |
max. Teufe (m) |
Brikettfabrik |
1 |
1912 |
1917 |
2001 |
780 |
1924 - 1998 |
2 |
1913 |
1919 |
2001 |
780 |
|
3 |
1954 |
1956 |
2001 |
630 |
|
4 |
1959 |
1962 |
2001 |
780 |
|
5 (Merkel) |
1964 |
1967 |
2001 |
1162 |
|
maximale Förderung 2.961580 t 1975
durchschnittlich 2 - 2,8 Mio. t/a
Die Kohlenlagerstätte im Bereich der Zeche Niederberg ist vergleichsweise ungünstig. Die Flöze sind im
Schnitt nur einen Meter mächtig und es gibt nur wenige bauwürdige Flöze, die große Abstände haben. Die Konsequenz ist ein
großflächiger Abbau mit großen Abständen der Sohlen. Abgebaut wurden beispielsweise 1986 die Flöze Girondelle 5 (2,10 m) und
Girodelle 4 (1,10 m) bei etwa 440 m Teufe, das Flöz Finefrau (1,10 m) bei 590 m Teufe, die Flöze Geitling 2 (0,80 m) und
Geitling 1 (0,90 m) bei 700 m Teufe und das Flöz Mausegatt (0,90 m) bei rd. 800 m Teufe. Die Werte beziehen sich auf Schacht 1.
Dieser Nachteil konnte durch den Einsatz moderner Abbautechniken wettgemacht werden. Positiv wirkte sich das stabile Nebengestein
der Wittener Schichten aus, zu denen die Flöze gehören. Dadurch konnte die Ankertechnik eingesetzt werden, die beim Auffahren
der Strecken zu den Abbaubetrieben schneller und kostengünstiger ist. 1999 erreichte die Zeche als erste im Revier eine
verwertbare Förderung von 9000 kg pro Mann und Schicht. Die Streblängen betrugen 300 bis 350 m.
Eine Folge der weit von den Schächten entfernten Abbaubetriebe war ein Schnellzugsystem unter Tage. Eine dieselbetriebener
Zug fuhr auf einer Strecke von 5,5 km Länge, ein akkubetriebener sogar bis 7,8 km. Die Fahrgewindigkeiten waren 25 bzw. 28 km/h.
-
- Schacht 1 im Jahr 1916
-
- Schacht 1/2 1920er Jahre
-
- Schacht 1/2 1950er Jahre
-
- Schacht 1/2 der Sicht von Schacht 5
-
- Gelände Schacht 1/2 im Jahr 2015
-
- Schacht 1/2 Rest- gebäude im Jahr 2015
-
- Schacht 1 im Detail
-
- Schacht 2 im Detail
-
- Methanverwertung am Schacht 3 2015
-
- Protegohaube auf Schacht 3
-
- Schacht 3 kurz vor der Fertigstellung 1957
-
- Schacht 4 im Jahr 1962
-
- Schacht 4 im Jahr 2015
-
- Schacht 4 im Jahr 2015
-
- Schacht 5 bei der Inbetriebnahme 1969
-
- Grünfläche Schacht 5
-
- Gelände am Schacht 5
-
- Zaun über Schacht 5
-
- Schachtmarkierung Schacht 5
-
- Wohnbebauung westlich von Schacht 5
-
- Zechensiedlung
-
- Zechensiedlung
zur Auswahl