Zeche Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort

1907 - 2012


Übersicht Friedrich Heinrich


Die Berechtsame Humboldt wurde schon 1862 verliehen. Damals fehlten die technischen Voraussetzungen für das Schachtteufen in dem am linken Niederrhein anstehenden stark wasserführenden Deckgebirge. Erst mit dem Einsatz von Tübbings und dem hier angewendeten Gefrierverfahren wurden erste Schächte abgeteuft. Das erklärt den späten Beginn der Teufarbeiten im Jahr 1906. Es entstand aber eine einheitlich gestaltete Anlage, die sich bis zum Ende nur wenig veränderte. Die Zeche liegt am nordwestlichen Ende des Bereichs, in dem Steinkohle abgebaut wurde. Von größeren Unglücken blieb die Zeche verschont. 1952 kamen acht Bergleute bei einem Strebbruch um.
Die Kosten für die Zechenanlage waren sehr hoch, z. B. war der Bau einer Zechenbahn zum Rhein und die Anlage eines Hafens für den Kohleabasatz unbedingt notwendig. Intern hatte man beim Eigentümer des Grubenfelds (Krupp) daher Zweifel, ob die Zeche letztlich rentabel wäre. So suchte man Käufer. Intesessenten waren Chemiebetriebe unter der Führung der BASF und der Bayrische Staat, die sich wieder zurückzogen. 1906 kaufte ein französische Gruppe, die sich aus Betrieben der Stahlindustrie und Banken zusammensetzte die Zeche. Frankreich war auf Importkohle angewiesen. Die eigene Förderung reichte nicht aus. Im 1. Weltkrieg kam es 1917 zur Enteignung und Zwangsverwaltung, die 1921 aufgehoben wurde. 1924 übernahm das Familienunternehmen de Wendel die Zeche, das schon ab 1913 unauffällig darauf hin arbeitete. Auch im 2. Weltkrieg stand die Zeche unter Zwangsverwaltung. 1970 endete das französiche Engagement mit der Eingliederung von Friedrich Heinrich in die RAG.
1993 begann der Konzentrationsprozess bei den Zechen am linken Niederrhein. Der Restabbau des aufgelösten Verbundbergwerks Rheinland wurde übernommen. Ab 2002 wurde die stillgelegte Zeche Niederberg angegliedert ohne größere Aktivtäten im dazu gehörenden Grubenfeld. Der Gesamtbetrieb lief bis zum Ende als Bergwerk West. Es war das drittletzte im Ruhrgebiet.
Der Name geht auf Friedrich Heinrich von Diergardt zurück. Er war der Sohn von Friedrich Diergardt, einem Seidenfabrikant aus Moers. Der Vater mutete auch die Zeche Diergardt in Duisburg-Rheinhausen. Bei der Teilung der riesigen Berechtsame 1874 vererbte er seinen Anteil dem einzigen Sohn.
Da das Umfeld ländlich geprägt war, entstanden große Zechensiedlungen. Ohne diese wäre es nicht möglich gewesen die erforderliche Anzahl von Bergleuten anzuwerben. Die Belegschaft stieg bis 1920 auf über 4000 Personen an. In den 1950er Jahren waren es mehr als doppelt so viel. So wurde die Zeche zur Keimzelle der heutigen Stadt Kamp-Lintfort. Die heute zur Stadt gehörenden Gemeinden hatten 1906 nur knapp 4000 Einwohner. Die östlich der Anlage 1/2 liegende Altsiedlung ist mit 76 ha die größte zusammenhängende Bergbausiedlung im gesamten Ruhrgebiet.
Mit der Stilllegung wuden nicht sofort alle Mitarbeiter arbeitslos. Einige Hundert konnten noch die Zeche "ausrauben", d.h. alle verwertbaren Materialien und Maschinen nach über Tage bringen. Dazu kamen Vorruhestand und bis Ende 2018 Verlegungen auf die beiden letzten Zechen Prosper und Auguste-Victoria. Nach der positiven Bewerbung für die Landesgartenschau 2020 für die Umgestaltung des Zechenareals startete diese coronabedingt verspätet am 5. Mai. Informationen zur Schau sind auf Site Laga 2020 zu finden.


Friedrich Heinrich 1/2

Siedlung
Die Hauptanlage entstand beim damaligen Dorf Lintfort auf freiem Feld. Die gesamte Infrastruktur für den Betrieb musste daher erst angelegt werden. Das bedeutete den Bau fester Straßen, einer Schienenanbindung und Wohnungen für die Mitarbeiter. Damit entstand ein Siedlungkern der späteren Stadt Kamp-Lintfort. Die Zechensiedlungen machen heute etwa 1/3 aller Wohnungsgebäude im Stadtzentrum aus. Die Entwicklung ging so rasant voran, dass im nördlichen Teil private Unternehmer einen Teil der Gebäude errichteten, da die zecheneigenen Kapazitäten nicht reichten.
Die beiden Schächte wurden im Gefrierverfahren abgeteuft. Trotzdem brach in 145 m Teufe 1909 im Schacht 1 Schwimmsand ein und noch einmal bei 244 m Teufe 1910. Förderbeginn war 1912 und ein Jahr später nahm die Kokerei den Betrieb auf, die bis 1978 bestand. Die Kohleförderung endete nach genau 100 Jahren am 21.12.2012 (symbolisch am Tag des Weltuntergangs laut Mayakalender). Unter Tage wurden schon ab 1925 Stahlstempel eingesetzt, da die Flöze nur flach gelagert waren. In steiler Lagerung war bis in die 1960er Jahre Holzausbau üblich. Die Stahlstempel waren dazu zu schwer, da der Ausbau reine Handarbeit war und dazu noch Klettern an einem steilen Hang ähnelte. Schon im August 1958 war der Zechenbetrieb als erster im Ruhrbergbau vollständig mechanisiert. Für den Bergeversatz bestand eine Seilbahn zum Eyllsche Berg. Bis zum Übergang zum versatzlosen Bruchbau wurde hier Moränenmaterial abgebaut. Danach wurde die Abgrabung zur Müllkippe.
Als Folgenutzung ist am 19.12.2012 die frei gewordene Lehrlingswerkstatt als erstes Gebäude der Fachhochschule Rhein-Waal am Standort Kamp-Lintfort übergeben worden. 2015 konnte sie in die neu gebauten Campusgebäude nördlich der Zeche einziehen. Es sind Einrichtungen wie eine Druckwerkstatt mit 3D-Druckern, Multimedialabore, Projekträume und Labore für Studierende der Umweltwissenschaften entstehen. Die Druckwerkstatt steht auch Schulen für Projekte offen. Gewerbliche Nutzung und Dienstleistungen könnten in der als denkmalswürdig angesehenen langen Reihe der Verwaltungs-, Werkstatt- und Sozialgebäude enstehen. Die beiden Fördertürme sind ebenfalls denkmalswürdig auch wegen ihrer Funktion als Landmarke. Erhalten blieben das Strebengerüst von Schacht 2 und die Turmförderung von Schacht 1. Nach einer Bürgerbefragung mit 2/3 Mehrheit erhielt der Förderturm eine Aussichtplattform in 70 m Höhe. Für die Fläche des Kohlelagers soll sich die international tätige Logport interessieren, um dort einen Logistikstandort zu errichten. Langfristig könnte das Zechenanschlussgleis für eine Anbindung an das Schienenverkehrsnetz des ÖPNV genutzt werden.
Drei repräsentative Gebäude neben der Zeche sind neu genutzt. Dies sind die beiden besonders großzügigen Direktorenvillen. Sie sollten bei der Verlegung der Zechenverwaltung in Jahr 1908 von Düsseldorf nach Kamp-Lintfort wohl den Umzug in die damals noch bestehende "Wildnis" erleichtern. Im früheren Kasino haben sich öffentliche Verwaltungen niedergelassen. Der Lehrstollen neben der Lehrwerkstatt kann besucht werden. Daneben sind Exponate aus dem Zechenbetrieb ausgestellt.
Bis Ende 2017 wurden auf der Fläche des ehemaligen Bergwerk West noch die letzten Anlagen abgebrochen und das Grundstück saniert. Im Rahmen der Sanierung wurde das Gelände entsprechend der Gartenschauplanung modelliert, bevor die eigentlichen Gartenschauarbeiten Ende 2018 begannen.

Friedrich Heinrich 3
Nach dem Kauf des Feldes Norddeutschland von Krupp sollte dort eine weitere Schachtanlage entstehen. Wohl als Folge der Weltwirtschaftskrise wurde der neue Schacht ab 1931 als Wetterschacht für die Anlage 1/2 übernommen. Es entstanden nur einige Werkstattgebäude und das Fördergerüst mit der Ventilatoranlage. Als 1969 der Versatz unter Tage eingestellt bekam der Schacht eine neue Funktion. Er wurde umgebaut und hob die unter Tage anfallenden Berge, die auf die daneben liegenden Halde gekippt wurden.
Der Schacht wurde im Frühjahr 2007 verfüllt. Alle Gebäude waren 2015 noch erhalten - Aktivitäten, die auf eine Folgenutzung schließen lassen nicht erkennbar. Das Fördergerüst war (zumindest optisch) identisch mit dem 1925 auf dem Salzbergwerk Buggingen in Baden-Würthemberg errichteten. Es war das erste in Vollwandbauweise konstruierte in Deutschland. Es wurde 2017 abgerissen.
Anfang 2024 kaufte die Stadt Mörs das Zechengelände. Dort ist mittelfristig ein Gewerbegebiet (Arbeitstitel: Gewerbepark Schacht 3) für Mittelstand und Handwerk geplant.

Friedrich Heinrich 4
Für das westliche Grubenfeld wurden 1943 (!) in Hoerstgen Vorarbeiten aufgenommen, um dort die Anlage 4/5 zu errichten. Durch den Krieg wurde der Plan hinfällig. Erst 1957 begann man mit dem Abteufen von Schacht 4 als Wetterschacht, wobei die vorhandenen Bohrlöcher für den Gefrierschacht das Abteufen beschleunigten. Später befand sich hier die zentrale Materialwirtschaft. Nachdem diese an den Standort Rossenray verlegt wurde endete der aktive Betrieb. Die Funktion als Wetterschacht war automatisiert und eine Belegschaft am Standort unnötig. 2009 begann der Abriss der Betriebsgebäude, nachdem der letzte Abbaubetrieb im Westfeld ausgelaufen war. Die Turmförderanlage des Schachts wurde 2017 abgerissen.

Übersicht Schachtdaten

Schacht Teufbeginn Inbetriebnahme Stilllegung max. Teufe (m) Kokerei
1 1907 1912 2012 642 1913 - 1978
2 1907 1912 2012 959  
3 1929 1931 2012 1023  
4 1943/1957 1960 2012 648  
Rossenray 1 ab 1993   2012 1035  
Rossenray 2 ab 1993   2012 890  
Rheinpreußen 8 ab 2002   2012 650  


maximale Förderung Friedrich Heinrich 2.592892 t 1986
durchschnittlich 1,7 - 2,2 Mio. t/a

maximale Förderung Friedrich Heinrich/Rheinland 4.174394 t 1993
durchschnittlich 3 Mio. t/a

maximale Förderung Bergwerk West 3.715431 2005
durchschnittlich 3,5 Mio. t/a


1993 enstand ein Verbund von Friedrich Heinrich und Rheinland. Die ehemaligen Schächt von Rheinpreußen wurden noch bis 1998 weiter betrieben und danach verfüllt (Pattberg 1/2) bzw. 1994 an die die Zeche Walsum abgegeben(Rheinpreußen 8 und 9). 2002 kam die Zusammenfassung aller Restbetriebe am linken Niederrhein zum Bergwerk West. Die Zeche Niederberg wurde nur formal übernommen. Eine Eingliederung in den Betrieb oder Restkohlenabbau fand nicht statt. Der Schacht Rheinpreußen 8 kam wieder zurück zu Friedrich Heinrich.


Friedrich Heinrich 1/2
Schacht 1/2 1914
Friedrich Heinrich 1/2
Schacht 1/2 mit Kokerei 1952
Friedrich Heinrich 1/2
Schacht 1/2 im Jahr 1955 - fast idyllisch
Friedrich Heinrich 1/2
Das Umfeld ist noch ländlich, die neue Kolonie gerade fertig
Friedrich Heinrich 1/2
Schacht 1/2 im Jahr 1955 mit Kokerei
Friedrich Heinrich 1
Schacht 1 im Jahr 2016
Friedrich Heinrich 1
Schacht 1 mit Kohleaufbereitung Mitte 2012
Friedrich Heinrich 2
Schacht 2 im Jahr 2016
Friedrich Heinrich 2
Schacht 2 im Jahr 2016
Friedrich Heinrich 2
Schacht 2 mit Schachthalle im Jahr 2016
Friedrich Heinrich 1/2
Schacht 1/2 von Süden im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 1/2
Schacht 1/2 von Norden im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 1/2
Kohlewäsche im Abbruch im Jahr 2016
Friedrich Heinrich 1/2
Gebäudefront im Bereich der Schächte 1 und 2
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Eingang der Verwaltung
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Direktorenvilla
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Direktorenvilla
Friedrich Heinrich 1/2
ehemaliges Zechenkasino
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neue Nutzung im Kasino
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ehemalige Lehrwerkstatt im Jahr 2016
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Gelände am Zugang zum Lehrstollen
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Zugang Lehrstollen
Friedrich Heinrich 1/2
Blick in den Lehrstollen
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2007
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 3
Sgrafitto am Rolltor
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2016
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2016
Friedrich Heinrich 3
Schacht 3 im Jahr 2017 nach Abriss
Friedrich Heinrich 4
Schacht 4 im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 4
Schacht 4 im Jahr 2015
Friedrich Heinrich 4
Protegohaube am Schacht 4 im Jahr 2019
Friedrich Heinrich 4
Protegohaube am Schacht 4 im Jahr 2019

Einige Eindrücke von einer Sonderfahrt mit einem historischen Schienenbus beim Tag der Offenen Tür 2012. Die Fahrt endete auf dem Zechenbahnhof im Bereich der früheren Aufbereitungsanlagen.

Friedrich Heinrich 1/2
Sonderfahrt 2012
Friedrich Heinrich 1/2
Sonderfahrt 2012
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Sonderfahrt 2012
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Sonderfahrt 2012
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Sonderfahrt 2012
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Sonderfahrt 2012
Friedrich Heinrich 1/2
Sonderfahrt 2012

Im Jahr 2020 war die Landesgartenschau auf dem sanierten Zechenareal wegen Corona etwas später und mit einigen Einschränkungen gestartet. Es gab zwei bergbaubezogene Sonderbereiche. Einer gehörte zu einer von Steinmetzen initiierten Schau modern gestalteter Gräber mit dem Mottto „Grabbepflanzung und Grabmale“. Dabei gab es auch den direkten Bezug zum Bergbau.
Eine Installation des Künstlers Rainer Bonk mit blau gefärbten Erdmännchen (Bezug zum Blaumann als typische Arbeitskleidung über Tage) zeigte das Prinzip eines Stollenbergwerks. Das Ganze war betitelt mit Blaumännchen Pütt.

Friedrich Heinrich 1/2
Blaumänner Pütt in der Nähe von Schacht 1
Friedrich Heinrich 1/2
Stollen mit Förder- schacht, Lichtloch und zweitem Zugang
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Im Stollenbergbau gab es überwiegend Handarbeit
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Ein Blaumännchen bei Einfahrt oder Ausfahrt im Schacht
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Wie bei echten Erd- männchen wird die Ausbeute gut bewacht
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Grabsstele für die vorletzte Zeche ...
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... als Schacht mit Förderkorb
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Die Stele mit Helm, Lampe und Ortsbezug
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Daneben ein Bergmannsgrab mit Kohlebrocken
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Ein Grabstein für den historischen Bergbau
Friedrich Heinrich 1/2
Abbau in Handarbeit und Einsatz von Pferden
Friedrich Heinrich 1/2
Eine eher abstrakte Förderanlage

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