Zeche in Auguste Victoria in Marl

1899 - 2016


Auguste Victoria Übersicht


Namenspatin der Schachtanlage war Prinzessin Auguste Viktoria Friederike Luise Feodora Jenny von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg VA [was für ein Name!] als Gemahlin Wilhelms II. die letzte deutsche Kaiserin und Königin von Preußen. Die Zeche war eine der letzten aktiven Steinkohlenzechen in Deutschland. Sie war die am längsten privat betriebene Anlage im Ruhrgebiet und gehörte ab 1908 zur Interessengemeinschaft chemischer Werke (später IG Farben) und ab 1953 zur BASF, einem der größten Chemieunternehmen weltweit. Diese verkaufte 1991 das Bergwerk an die RAG.
Eine Sonderstellung nimmt die Zeche beim Erzabbau ein. Ein in einer Störung (Tertius-Sprung) zufällig erschlossenes Lager von Blei-Zinkerzen wurde bis 1962 abgebaut und lieferte in den 1950er Jahren knapp 20% der deutschen Förderung. Die ehemaligen Chemische Werke Hüls (CWH) entstanden ab 1928 neben der Zeche auf der Basis von Kohlechemie zur Herstellung von künstlichem Kautschuk. Das aus Butadien und dem Katalysator Natrium produzierte Polymer Buna (ButadienNatrium) hatte große Bedeutung für die deutsche Rüstungs- und Kriegswirtschaft vor und während des Zweiten Weltkrieges. Aus den CWH entwickelte sich der Chemiepark Marl, einer der größten Chemiestandorte in Deutschland und Europa. Auf dem 650 Hektar großen Gelände produzieren knapp 30 Unternehmen insgesamt über 10.000 Beschäftigten (2004).
Mit der kleineren Nachbarzeche Brassert bewirkte die Zeche die Entwicklung des Kirchdorfs Marl zu der heutigen Stadt (Stadtrechte seit 1926), die sich immer modernen Trends anschloss. Das Rathaus in der neuen von 1960 bis 1967 neu gebauten Stadtmitte besteht beispielsweise aus zwei Kuben, die jeweils auf einem massiven Pfeiler sitzen. Seit 1964 wird jährlich der renommierte Fernsehpreis des hier ansässigen Grimme-Institut vergeben. Eine weitere kulturelle Einrichtung ist das Skulpturenmuseum Glaskasten, das seit 1984 den Marler Video-Kunst-Preis verleiht.
1912 starben drei Bergleute durch Steinfall, 1924 vier bei einem Seilfahrtunglück und beim Einbruch von Schacht 3 1927 fünf Bergleute.


Auguste Viktoria 1/2
Der alte Schacht 1 geriet 1901 beim Abteufen bei 40 m in eine Schiefstellung, die nicht mehr ausgeglichen werden konnte. Er wurde 1903 aufgegeben. Der Schacht ab 1900 abgeteufte Schacht 2 wurde in Schacht 1 umbenannt und ein neuer Schacht 2 geteuft. Beim Weiterteufen setzte man zum ersten mal im Ruhrgebiet das Gefrierverfahren ein. Im Schacht wurde eine Solequelle erschlossen, die ab 1910 für ein Solebad genutzt wurde. Dieses war bis Anfang der 1960er Jahre in Betrieb. Neben der Kohle wurde an diesem Standort auch das Erz aufbereitet, das ab 1936 abgebaut wurde.
Das Zechengelände ist zum Teil abgeräumt und als Gewerbegebiet ausgewiesen. Die beiden Fördergerüste sind erhalten. Die angrenzenden Werkstatt- und Verwaltungsgebäude blieben weiter in Nutzung für die Ausbildung. Der alte Schacht 1 war nur abgedeckt und Brunnen für Kühlwasser. Er wurde wie die beiden anderen 2007 verfüllt. Er lag im Bereich des Parkplatz neben den Schächten und hat keine Spuren hinterlassen.
Das Ende der Kokerei hing unmittelbar mit der Absicht der CWH zusammen, von Kohlechemie auf Erdölbasis umzustellen. Gleichzeitig endete der Kohleabbau im Bereich der Anlagen 1/2 und 4/5, da die Flöze steil gelagert waren die Kohle nur für die Kokserzeugung geeignet war.

Auguste Viktoria 3/7
Beim Abteufen von Schacht 3 wurde das Gefrierverfahren angewendet. Es konnte aber nicht verhindern, dass gleich nach der Fertigstellung 1927 Schwimmsand einbrach und der Schacht samt Förderturm zu Bruch ging. Es bildete sich ein wassergefüllter Trichter. Es kamen zufällig nur fünf Arbeiter ums Leben, da sich das Unglück an einem Sonntag ereignete. Erst 1934 wurde mit dem Wiederaufwältigen begonnen und 1937 die Förderung aufgenommen. Nach dem Abteufen von Schacht 7 verlagerte sich der gesamte Zechenbetrieb an diesen Standort. Über Schacht 3 steht ein Doppelbockgerüst und eine Turmförderanlage über Schacht 7. Nach der Stilllegung wurde hier noch bis zum Abbauende 2018 auf Prosper noch die Wasserhaltung betrieben um die Wasserhaltung dort zu entlasten.
Der Rückbau der Anlage begann 2022. Als gate.ruhr wird hier eine Fläche für neue Industrieansiedlungen entwickelt. Über die aktuelle Situation informiert RAG Immobilien. Der Schacht 7 wurde 2022/2023 dabei "händisch" abgebrochen. Eine Sprengung kam wegen des angrenzenden Chemieparks nicht in Frage wegen der Erschütterungen. Selbst beim gewählten Verfahren durften keine Bruchstücke verstürzt werden sondern wurden gesichert nach unten transportiert.

Auguste Viktoria 4/5

Auguste Viktoria Erzgang

Auguste Viktoria Erzlager
Die Anlage 4/5 sollte eigentlich die Kohlen im südlichen Feld abbauen. Beim Auffahren einer Verbindungsstecke zum Schacht 1/2 wurde in der Störungszone des Blumenthalsprungs zufällig ein Erzlager (Blei/Zink) entdeckt. Das Erz wurde ab 1937 hier gefördert und am Schacht 1/2 aufbereitet, die Kohleförderung eingestellt. Somit entstand eine reine Erzzeche. Das Betriebsgelände blieb daher relativ klein. 1962 endete der Abbau wegen Unrentabilität und bis auf den Schacht 4, der weiter Wetterschacht blieb wurden alle Gebäude am Schacht 5 abgerissen.
Im Fördermaschinenhaus von Schacht 4 befindet sich heute ein Museum zum Erzabbau. Das als Denkmal erhaltene Gerüst erhielt als Komplettierung wieder ein Förderseil, das i.d.R. nicht wieder aufgelegt wird. Der Schacht 5 ist als kreisförmige Rasenfläche mit einer Baumumrandung erkennbar. Protegohauben sind nicht vorhanden, da keine untertägige Verbindung zu den Flözbereichen bestand. Auf dem restlichen Betriebsgelände entstand Wohnbebauung.
Das Grubenbild zeigt die Lage des Erzgangs im Blumenthal-Sprung. Dieser bedeutet ein Absinken der Schichten westlich davon um ca. 650 m. Angedeutet ist dies durch die Pfeile, die jeweils die Lage des Flözes Sonnenschein markieren. Der Ausschnitt aus dem Grundriss der 3. Sohle zeigt die Ausrichtung der Strecken.
Die Erzförderung soll nie wirklich rentabel gewesen sein bis auf die Zeit des Koreakriegs von 1950 - 1953. Das galt nicht für das 1952 in Betrieb genommene Kalksandsteinwerk, in dem die Berge der Erzaufbereitung verwertet wurden. Es erwirtschaftete immer Profite.

maximale Erzförderung 352420 t 1942
durchschnittlich 100000 - 300000 t/a


Auguste Viktoria 6
Der Schacht 6 wurde zur Erschließung des nordöstlichen Grubenfelds als Luftschacht abgeteuft. Von 1958 bis 1994 fanden auch Seil- und Materialfahrt statt. Seit 1999 wird ein Teil des nicht mehr benötigten Geländes von einer Behindertenwerkstatt genutzt. Der Schacht wurde 2007 verfüllt und die Turmförderanlage 2017 abgerissen. So verschwand eine Wegmarke, da der Schacht direkt neben der A43 lag.

Auguste Viktoria 8
Mit dem Abteufen von Schacht 8 erfolgte die Konzentration aller Aktivitäten auf das Nordfeld. Er war der zentrale Seilfahrtschacht. Direkt in der Lippeaue gelegen sollte er das Landschaftsbild möglichst nicht beeinträchtigen. Das gedrungen wirkende Fördergerüst in der Form eines A ist durch die Eingrünung der Betriebsfläche auch ziemlich unauffällig. Durch die kleineren Seilscheiben konnte nicht ein für die Teufe übliches starkes Seil eingesetzt werden, das durch die starke Krümmung schnell verschleisst wäre. Stattdessen wurde eine 6-Seil-Förderung mit dünneren Seilen eingerichtet. Mittelfristig soll die Fläche renaturiert werden.

Auguste Viktoria 9
Der nördlichste aktive Schacht im Ruhrgebiet war Auguste Victoria 9. Er liegt versteckt in einem Waldgebiet und hat nur die für einen Wetterschacht nötigen technischen Einrichtungen. Ein Schachtgerüst war nicht vorhanden, nur eine Befahrungsmöglichkeit für Wartungsarbeiten. Der Betrieb lief automatisiert.

Übersicht Schachtdaten

Schacht Teufbeginn Inbetriebnahme Stilllegung max. Teufe (m) Kokerei
AV 1 alt 1899   1903 40  
AV 1 (2) 1900 1906 1967 1176 1908 - 1966
AV 2 1903 1905 1967 1187  
AV 3 1925 1937 2016 1035  
AV 4 1928 1929 1967 830  
AV 5 1930 1931 1967 705  
AV 6 1950 1952 2007 829  
AV 7 1957 1960 2015 1260  
AV 8 1963 1967 2016 1296  
AV 9 1987 1990 2016 1330  
Haltern 1/2 ab 2001        


maximale Förderung 3.541345 t 1995
durchschnittlich 2,6 - 3 Mio. t/a


2001 wurde das stillgelegte Bergwerk General Blumenthal angeschlossen. Von dessen zahlreichen Schächten wurden nur die Schächte Haltern 1/2 übernommen und der Schacht An der Haard 1, der für einen möglichen Abbau im Feld Olfen konserviert wurde. Die Schächte General Blumenthal 2/6, 3/4, 7, 8 und 11 wurden aufgegeben und später verfüllt, ebenso der Schacht Emscher Lippe 6.
Beim Anstieg des Grubenwassers soll ein Messnetz Daten erfassen. Dazu wurden im April 2017 insgesamt neun Kilometer Spezialkabel verlegt. Sie wurden im Schacht 3 eingebaut und verlaufen auf der fünften und sechsten Sohle zu den relevanten Grubenwasserzuläufen. Vier modifizierte Tiefseesonden erfassen dort physikalische Parameter wie Temperatur, Geschwindigkeit, Fließrichtung und Leitfähigkeit. Das weltweit einmalige Projekt wird von der Technischen Hochschule Agricola durchgeführt und ist auf mehrere Jahrzehnte angelegt. Die gewonnenen Daten können bei anderen kontrollierten Flutungen wertvolle Hilfe bei den Vorplanungen sein.


Auguste Victoria 1/2
Schacht 1/2 im Jahr 1929 aus der Luft
Auguste Victoria 1/2
Schacht 1/2 im Jahr 1958
Auguste Victoria 1/2
Schacht 1
Auguste Victoria 1/2
Schacht 1
Auguste Victoria 1/2
Schacht 1
Auguste Victoria 1/2
Schacht 1 von der Zechenseite
Auguste Victoria 1/2
Schacht 2
Auguste Victoria 1/2
Schacht 2
Auguste Victoria 1/2
Schacht 2
Auguste Victoria 1/2
Schacht 2 von der Zechenseite
Auguste Victoria 1/2
Schacht 1/2
Auguste Victoria 1/2
Schacht 1/2
Auguste Victoria 1/2
Schacht 1/2
Auguste Victoria 3/7
Einbruchstrichter nach Einturz von Schacht 3
Auguste Victoria 3/7
Schacht 3 im Jahr 1958
Auguste Victoria 3/7
Schacht 3 mit Verwaltung im Jahr 2016
Auguste Victoria 3/7
Schacht 3 mit Zechenbahnhof im Jahr 2016
Auguste Victoria 3/7
Schacht 3 mit Lagerplatz im Jahr 2016
Auguste Victoria 3/7
Schacht 3, dahinter Schacht 7 im Jahr 2016
Auguste Victoria 3/7
Schacht 3/7 Zechentor im Jahr 2016
Auguste Victoria 3/7
Schacht 3/7 Verwaltung im Jahr 2016
Auguste Victoria 3/7
Schacht 3/7 aus der Lippeaue gesehen
Auguste Victoria 7
Rückbau Schacht 7
Auguste Victoria 7
Rückbau Schacht 7
Auguste Victoria 7
Rückbau Schacht 7
Auguste Victoria 7
Rückbau Schacht 7
Auguste Victoria 7
Rückbau Schacht 7
Auguste Victoria 7
Rückbau Schacht 7
Auguste Victoria 7
Rückbau Schacht 7
Auguste Victoria 4/5
Schacht 4 inmitten von Wohnbebauung
Auguste Victoria 4/5
Schacht 4 inmitten von Wohnbebauung
Auguste Victoria 4/5
Bergbaumuseum am Schacht 4
Auguste Victoria 4/5
Schacht 4 mit Fördermschinenhaus
Auguste Victoria 4/5
Infotafel Schacht 4
Auguste Victoria 4/5
Schacht 5, dahinter Schacht 4
Auguste Victoria 6
Schacht 6 im Jahr 2011
Auguste Victoria 6
Schacht 6 im Jahr 2011
Auguste Victoria 8
Schacht 8 in der Lippeaue im Jahr 2011
Auguste Victoria 8
Schacht 8 Zufahrt im Jahr 2011
Auguste Victoria 8
Schacht 8 Gerüst in Form eines A im Jahr 2011
Auguste Victoria 8
Schacht 8 mit 6-Seil-Förderung im Jahr 2011
Auguste Victoria 8
Schacht 8 Förder- maschine im Jahr 2011
Auguste Victoria 8
Skulptur am Schacht 8 im Jahr 2011
Auguste Victoria 9
Schacht 9 im Jahr 2011
Auguste Victoria 9
Schacht 9 im Jahr 2011
Auguste Victoria Hafen
Verladekran am Zechenhafen
Auguste Victoria Hafen
Verladekran am Zechenhafen
Auguste Victoria Hafen
Verladekran am Zechenhafen

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