Zeche Graf Schwerin in Castrop
1872 - 1961
Der Name der Schachtanlage geht auf den preußischen General Graf Schwerin zurück. Die ungünstige Topographie
des Zechenfeldes führte auch zu einer Kuriosität. Die Anlage 1/2 lag auf einer Anhöhe, die Anlage 3/4 in einem Geländeeinschnitt.
Die sehr gute Kokskohle von 3/4 erforderte den Bau einer Kokerei. Diese wurde am Schacht 1/2 gebaut die Kohle lange Zeit mit einer
Seilbahn, von der keine Reste erhalten sind dorthin transportiert. Noch seltsamer war der Bau einer Kokerei für Schacht 4 auf
dem Gelände der Zeche Lothringen 4 (in Bochum-Hiltrop) neben der dort seit 1910 betriebenen Kokerei. Auch die Kosten für eine
Kokerei mit nur 60 Öfen hatte es bis dahin nie gegeben, knapp 9 Mio. Mark. Es ist wohl im Konzern eine kreative Buchführung bei
schlechter Geschäftslage erfolgt.
Nach der Stilllegung bestand ein Verbund mit der Bochumer Zeche Lothringen, die seit 1937 im Besitz von Graf Schwerin war. Diese
baute die Restkohlen ab. Da beide Berechtsamen nicht aneinander grenzten wurde die Kohle übertage mit der Bahn nach Bochum transportiert.
Die Verbindung unter Tage durch das Grubenfeld von Erin war ab 1970 geplant, da bis dahin auch der Schacht Lothringen 2 tiefer
geteuft sein sollte. Dazu kam es aber nicht mehr wegen der Stilllegung von Lothringen im Jahr 1967.
Die Anlage Schwerin 1/2 lag relativ ungünstig auf dem Castroper Höhenrücken. Die Höhendifferenz zum Bahnhof in
Dortmund-Bövinghausen betrug etwas über 10 m auf knapp 2 km Länge. Auf einen jahrzehntelangen Betrieb gerechnet entstanden
dadurch zusätzliche Kosten.
Der Schacht 1 erhielt einen Malakoffturm, dem später ein Strebengerüst aufgesetzt wurde. Er war bis zur Stilllegung in Betrieb.
Nach dem Verbund mit der Zeche Lothringen in Bochum wurde die Rohkohle mit dem Zug zur Aufbereitung dorthin transportiert. Unter Tage
konnte keine Verbindung hergestellt werden, da zwischen beiden Anlagen die Zeche Zollern lag, die einer anderen Gesellschaft gehörte.
Nach der endgültigen Stilllegung 1967 wurde die Kokerei von der RAG noch bis 1975 weiter betrieben.
Erst 2008 begann die abschließende Sanierung der Betriebsfläche, auf der Gewerbe angesiedelt werden soll. Die angrenzende Halde ist
bepflanzt worden. Auf dem Gipfel wurde eine Sonnenuhr aus kreisförmig gesetzten Stahlrohren installiert. Die hinaufführenden Treppen
sind aus typischen im Bergbau verwendeten Materialien. Der Castrop-Rauxeler Künstler Jan Bormann benutzte für die "Naturachse (N-S)"
Eisenbahnschwellen und Grubenholz, für die "Industrieachse (O-W)" Stahlbrammen und Eisenbahnschienen. Das Ensemble ist Teil der
Route der Industriekultur. Die Schächte sind mit Protegohauben versehen. Daneben liegt eine kleine Erdpyramide mit einer Stahlskulptur
auf dem Gipfelplateau. Die Uhr geht eine halbe Stunde nach, da sie die Görlitzer Zeit zeigt. Die Stadt Liegt exakt auf dem 15. Längengrad,
der die Mitteleuropäische Zeit definiert. An den Hängen der Halde sind kleinere Skulpturen vom weiteren Künstlern zu finden. Nur ein
Betriebsgebäude am ehemaligen Zechentor (Labor und Schlosserei) hat zum Wohnhaus umgebaut "überlebt".
Im Bereich der Schächte steht seit 2011 ein Einkaufszentrum. Auf den Flächen im Kokereibereich waren Ende 2017 noch keine neuen Betriebe
angesiedelt. Nördlich von Schacht 1 sind Werkstattgebäude weiter gewerblich genutzt.
Das Gelände von Schacht 3/4 liegt in einem Taleinschnitt. Es reichte für einen Luftschacht, war aber mit
der Aufnahme der Kohleförderung zu klein, um die nötigen Aufbereitungsanlagen zu erstellen. Daher wurde 1910 eine Seilbahn zum
Schacht 1/2 gebaut. Dort wurde die geförderte Kohle aufbereitet und in der Gegenrichtung Waschberge zum Schacht 3 transportiert,
die für den Bergeversatz gebraucht wurden. Mit dem Verbund unter Tage im Jahr 1933 wurde die Seilbahn überflüssig und demontiert.
Die ab 1910 betriebene Kokerei lag am Schacht 1/2 und wurde als separater Betrieb geführt. Sie blieb bis 1975 in Betrieb, da
dort ein gefragter Koks für Gießereien hergestellt wurde. Ansonsten war sie ein Anachronismus. Zwar wurde sie immer gewartet
und repariert, aber die Prokuktion erfolgte mit der 1910 üblichen Technik. Der Koks wurde aus den Öfen gedrückt und davor mit
Schläuchen gelöscht. Entsprechend verteilten sich die Löschschwaden mit Schmutz- und Geruchsbelästigung im Umkreis.
Auf dem Gelände 3/4 war als letzter Nutzer ein Kohlehändler tätig. Nach der Einstellung des Betrieb wurde das letzte noch
verbliebene Betriebsgebäude (Trafo-/Schalthaus) nach 2006 abgerissen. Die beiden Schächte erhielten Betonabdeckungen. In der Nähe
ist eine Bohrung zur Grubengasnutzung niedergebracht worden. Das dort errichtete Gaskraftwerk wird wahrscheinlich nicht
mehr lange betrieben, da die Gasmengen geringer sind als erwartet.
Übersicht Schachtdaten
Schacht |
Teufbeginn |
Inbetriebnahme |
Stilllegung |
max. Teufe (m) |
Kokerei |
1 |
1872 |
1875 |
1967 |
1063 |
1887 - 1932 |
2 |
1892 |
1894 |
1967 |
1063 |
|
3 |
1903 |
1906 |
1966 |
820 |
1910 - 1975 |
4 |
1938 |
1940 |
1967 |
654 |
|
maximale Förderung 983754 t 1938
durchschnittlich 400000 - 700000 t/a
-
- Graf Schwerin Schacht 1/2 im Jahr 1958
-
- Graf Schwerin Schacht 1
-
- Graf Schwerin Schacht 1
-
- Graf Schwerin Schacht 1
-
- Graf Schwerin Schacht 2
-
- Graf Schwerin Schacht 2
-
- Graf Schwerin Schacht 1/2
-
- Graf Schwerin 1/2 sanierte Kokereifläche
-
- Graf Schwerin 1/2 sanierte Kokereifläche
-
- Graf Schwerin Brachfläche Schacht 1/2 um 2008
-
- Halde Graf Schwerin
-
- Halde Graf Schwerin
-
- Graf Schwerin Schacht 3 um 1909
-
- Graf Schwerin Schacht 3/4 um 1958
-
- Graf Schwerin Schacht 3
-
- Graf Schwerin Schacht 4
-
- Gasbohrung
zur Auswahl