Zeche Erin in Castrop-Rauxel
1866 - 1983
Der Name der Zeche - gälisch für Irland - wurde vom irischen Investor Thomas Mulvany vergeben, der auch seine
weiteren Zechen immer mit Namen versah, die einen Bezug zu Irland herstellten. Wie bei anderen frühen Zechen, die unter der
Mergelüberdeckung Kohlen erschlossen traten Probleme mit zufließendem Wasser auf. Etwa 20 Jahre lang hatte der Betrieb immer wieder
Stillstandszeiten durch Wassereinbrüche und war von 1877 bis 1883 war die Zeche komplett abgesoffen. Nach zweimaligem Besitzerwechsel
mit nachfolgendem Konkurs gelang Friedrich Grillo ein Neubeginn mit störungsfreiem Betrieb. Ab 1887 gehörte die Zeche zur
Gelsenkirchener Bergwerks-AG, die an der hohen Qualität der hier anstehenden Fettkohle interessiert war und diese zu
hochwertigem Koks veredelte. Der letzte Besitzerwechsel 1967 hatte ähnliche Gründe. Der Eschweiler Bergwerksverein suchte
für seine Koksversorgung neben der Zentralkokerei Anna im Aachener Revier einen weiteren Standort. Er brauchte Ersatz für die
gerade mit ihren Kokereien stillgelegten Zechen Graf Schwerin und Lothringen.
Eine Ausnahme bildet die später von Erin erworbene Zeche Teutoburgia. Der Name ist die latinisierte Bezeichnung für den
Osning als Teutoburger Wald im Zusammenhang mit dem nationalistischen "Hype" um die Varusschlacht. Er kann als verschlüsselter
Hinweis auf die gestörten Lagerungsverhältnisse gedeutet werden. Mulvany kannte die Geologie dieses Gebirgszugs und erkannte früh,
dass ein rentabler Betrieb kaum möglich war und verkaufte die Berechtsame. Daher lagen zwischen der Mutung im Jahr 1858 und dem
Abteufbeginn 1909 über 50 Jahre.
Das Dorf Castrop entwickelte sich mit der Zeche schnell zu einer Industriestadt. Mit der ähnlichen Entwicklung des nördlichen Rauxel
enstand durch die Zusammenlegung die Großstadt Castrop-Rauxel. Heute leidet diese durch den Verlust tausender Arbeitsplätze mit dem
Ende der Bergbaus. Hier waren u.a. auch ein großer Bergbauzulieferer betroffen (Klöckner-Becorit) und Chemiebetriebe auf Basis der
Kokereien.
Die meisten Flöze standen in steiler Lagerung an. Dies war bis in die 1960er Jahre beim Abbau vorteilhaft. Auf Erin wurde
Pionierarbeit bei der Mechanisierung geleistet. Die sehr zahlreich anstehenden gewinnbringenden Flöze wurden schon Mitte der
1950er Jahre mit einem als Rammkörper bezeichneten Kohlehobel abgebaut. Auch der Einsatz von schreitendem Rahmenausbau und der
daraus entwickelte Schildausbau begann früh und sicherte die Existenz der Zeche. Damit entfiel das zeit- und personalintensive
Setzen von Stempeln bei etwa 60% aller Abbaubetriebe. 1964 arbeitete in der flachen Lagerung der erste mannlose Streb (Abbau
nur mit Maschinen) im Ruhrgebiet. Der eingesetzte Schildausbau wurde später auch erfolgreich in der steilen Lagerung übernommen.
Das Abteufen der Schächte 1 und 2 gelang noch ohne große Probleme mit Wassereinbrüchen. Aber gleich mit dem Beginn
der Kohleförderung floß Wasser zu (bis zu 37 m³/min). Dies konnte noch gerade mit der damaligen Technik abgepumpt werden. Dabei soffen
einzelne Fördersohlen ab und später wie schon erwähnt die gesamte Zeche. Wegen der guten Kokskohle wurde gleich eine Kokerei mit
Bienenkorböfen errichtet, der Beginn der später immer wieder erweiterten und modernisierten Kokerei. In der Anfangsphase ereigneten sich
mehrere Schlagwetterexplosionen (1871 neun Tote, 1872 drei Tote, 1873 2 x drei Tote und 1889 zwölf Tote). 1945 kamen bei einem
Luftangriff 22 russische Zwangsarbeiter um.
Entgegen den damals üblichen gemauerten Malakofftürmen errichtete Mulvany nur hölzerne Fördergerüste wie auf seinen anderen Zechen
wie er es aus England kannte. Hier war der Bergbau ähnlich wie beim Manchesterkapitalismus auf hohe Profite aus. Es entstanden im
20. Jahrhundert abenteuerlich Fördergerüste aus gerade verfügbarem Material wie Eisenbahnschienen. Die Holzgerüste waren preiswerter,
wurden schnell morsch und faulten an. Daher ersetzte sie Grillo schon 1883 durch eisene. Diese nur wenige Meter auseinander stehenden
Strebengerüste prägten wie die 1913 gebauten Nachfolger lange das Stadtbild. Typisch war die gemeinsame Stützstrebe zwischen den
Gerüsten. Sie wurden 1966/67 abgebrochen und dienten weiter als Wetterschächte. Der Schacht 2 erhielt ein kleines Gerüst mit
einem Befahrunghaspel für anfallende Wartungsarbeiten, da derSchacht 7 voll ausgelastet war.
Später kamen die Schächte 4 ab 1890 (Luftschacht ohne Schachteinbauten mit Befahrungshaspel) und Schacht 7 (in Förderung ab
1954) dazu; der letzte war bis zur Stilllegung der Zentralförderschacht und ist als Denkmal erhalten.
Nach der Stilllegung wurden bis auf einige Verwaltungsgebäude alle anderen Zechenbauten abgerissen und die Fläche zum Gewerbegebiet
umgestaltet. Etwa die Hälfte der Fläche ist parkartig gestaltet mit Aufschüttungen und Wasserflächen, der gewerbliche Teil
durch ein Straßenkreuz mit Begleitgrün gegliedert. Nur noch einige kleine Flächen waren 2013 noch unbebaut.
Die Lage der Schächte 1 und 2 ist auf Hinweistafeln beschrieben, allerdings in der Terminologie des Vermessungswesens. Die Markierungen
von Schacht 1 und 2 sind aber relativ leicht zu finden. Der Schacht 4 ist inzwischne überbaaut. Das Fördergerüst von Schacht 7 bildet eine
Landmarke. Daneben sind Büroflächen im Mulvany Center entstanden. Damit wird an den Zechengründer erinnert. Er bewohnte mit seiner
Familie im Sommer das Haus Goldschmieding unweit der Zeche. Er erwarb es 1872 und legte einen Landschaftsgarten an. Dazu kam eine
Naturhindernispferderennbahn. Ab 1875 fanden dort Wettbewerbe (zu den Hochzeiten auch international beachtete) statt.
1970 musste der Rennverein wegen Fiananzproblemen den Betrieb einstellen. Im Herrenhaus befindet sich heute ein Restaurant. Der
Bereich der Vorburg wurde mit einem Hotel bebaut, das den ursprünglichen Bau nachahmt. Im frei zugänglichen Park sind moderne
Skulpturen ausgestellt. Auf dem Gelände der Rennbahn wurde ein naturkundlicher Lehrpfad angelegt.
Als die Grubenbewetterung immer unzureichender wurde und sich zahlreiche Schlagwetterexplosionen ereigneten wurde
der dringend benötigte Wetterschacht 3 ab 1890 abgeteuft. Er lag im Grubenfeld von Graf Schwerin. Dazu wurde das hier gelegene
Teilfeld angepachtet. Da es beim Abteufen Probleme gab wurde gleichzeitig der Schacht 4 abgeteuft. 1891 ging Schacht 3 in Betrieb
und sollte zu einer selbständigen Anlage ausgebaut werden. Verzögert durch Krieg und Inflation wurde 1929 das ursprüngliche
Strebengerüst durch eine Turmförderanlage in Stahlfachwerkbauweise ersetzt. Diese stammte vom Schacht 2 der Zeche Westphalia
in Dortmund, die dort kurz nach dem Bau nicht mehr benötigt wurde. Dies ist einer der seltenen Fälle der Umsetzung eine Gerüsts
(Translokation) im Ruhrgebiet. Die Anlage kam aber nur noch für die Seilfahrt in Nutzung. Schacht 3 ist als Denkmal erhalten und
mit der Gestaltung des ehemaligen Betriebsgeländes ("keltischer Baumkreis") ein Baustein der Route der Industriekultur.
Der Schacht 5 war ursprünglich ein reiner Luftschacht ohne weitere Funktionen. Nach kleineren Umbauten wurde
er 1975 für die Förderung der Berge, die beim Auffahren von Strecken im Nordfeld anfielen komplett umgebaut. Danach diente er auch
der Zwischenförderung von der vierten zur ersten Sohle. Ursprünglich im freien Gelände gelegen grenzt die Betriebsfläche heute
direkt an Wohnhäuser. Es sind keine Relikte vorhanden. Nur die als Sichtschutz angepflanzten Baumreihen prägten lange den Bereich.
Ab dem Jahr 2020 wurde eine Fläche von 3,1 Hektar für eine Wohnbebauung mit 100 Wohneinheiten vorbereitet. Der erste Rohbau stand
Anfang April 2022 an der neu angelegten Ringstraße. Gleichzeitig war das letzte freie Grundstück verkauft.
Der Schacht 6 diente ausschließlich der Bewetterung. Das Abteufen begann 1942 und wurde durch den Krieg bei
18 m gestundet. Die Arbeiten wurden 1948 wieder aufgenommen und 1951 der Betrieb aufgenommen. 1953 wurde ein kleiner Schachtturm
errichtet. Dazu kamen ein Werkstattgebäude und zuletzt zwei Grubenlüfter mit den Diffusoren. Für eine kurze Zeit fand im Schacht
von der 1. zur 5. Sohle Seilfahrt statt.
Die Betriebsgebäude abgerissen. Hier wird das heute Methangas aus den Grubenbauen abgesaugt und in einem Blockheizkraftwerk
genutzt. Auf dem Schacht steht eine Protegohaube.
Die Schachtanlage
Teutoburgia war nach dem Verkauf an
Erin nur kurze Zeit selbständig und wurde
schon 1925 stillgelegt. Sie diente zur Materialversorgung und Bewetterung. Heute ist noch das Strebengerüst von Schacht 1 als Denkmal
erhalten, ebenso das Fördermaschinenhaus. Über Schacht 2 steht eine Protegohaube. Das Gelände ist zu einem Skulpturenpark umgestaltet
worden, u.a. sind die Umrisse von abgerissenen Gebäuden durch kleine Mauern markiert. Dazu kommt eine Klanginstallation, die bei
Annäherung Töne nahe an der Hörschwelle erzeugt, so dass eine leicht meditative Stimmung entsteht. Dieses Ensemble ist auch Bestandteil
der Route Industriekultur, ebenso wie die angrenzende denkmalsgerecht sanierte Zechensiedlung. Diese hat etwa denselben Stellenwert
wie die Essener Margarethenhöhe.
Im Fördermaschinenhaus hat der Klangkünstler Christof Schläger seine Werkstatt. Hier finden Veranstaltungen statt, die zum
Konzept des Vereins
Kunstwald Teutoburgia gehören.
Die vielen Störungen im Grubenfeld bedeuteten auch hohe Methanwerte. Folge davon waren Schlagwetterexplosionen 1911 und 1912 mit
jeweils sechs Toten. Schon 1913 wurde die höchste Förderung mit 553574 t erreicht. Sie lag später bei 300000 - 350000 t/a und war
damit für einen wirtschaftlichen Betrieb zu niedrig.
Übersicht Schachtdaten
Schacht |
Teufbeginn |
Betrieb |
Stilllegung |
max. Teufe (m) |
Kokerei |
1 |
1866 |
1868 |
1983 |
479 |
1870 - 1984 |
2 |
1866 |
1868 |
1963 |
968 |
|
3 |
1889 |
1891 |
1983 |
705 |
|
4 |
1890 |
1892 |
1983 |
337 |
|
5 |
1892 |
1895 |
1983 |
932 |
|
6 |
1943/48 |
1951 |
1983 |
715 |
|
7 |
1951 |
1954 |
1983 |
955 |
|
Teutoburgia 1 |
1909 |
1910 |
1925 |
651 |
|
Teutoburgia 2 |
1909 |
1910 |
1925 |
335 |
|
Lothringen 6 |
ab 1967 |
|
1970 an Bergwerke Bochum |
|
|
maximale Förderung 1.480855 t 1973
durchschnittlich 1 - 1,4 Mio. t/a
Von der Nachbarzeche Lothringen in Bochum wurde im Jahr 1963 der dortige Schacht 6 angepachtet, um ausreichend
Frischwetter beim Auffahren von Wasserlösungsstrecken zu haben. Notwendig wurde dies durch die Stilllegung der letzten Herner Zeche
Friedrich der Große. Damit wurde ein unkontrollierter Übertritt des steigenden Standwassers in die Grubenbauten von Erin verhindert.
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- Erin 1/2 im Jahr 1872 mit Holzfördertürmen
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- Erin 1/2 im Jahr 1886 mit eisernen Fördertürmen
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- Erin 1/2 im Jahr 1913 mit neuen Fördergerüsten
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- Erin 1/2/4 im Jahr 1910 ...
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- ... und einige Jahre später
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- Erin 1/2/4 im Jahr 1928, in der Mitte Schacht 4
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- Erin 1/2/4 im Jahr 1930
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- Erin 1/2/4 im Jahr 1930
-
- Erin 1/2/4 im Jahr 1930
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- Schacht Erin 1 Hinweistafel im Jahr 2005
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- Befahrunghaspel von Schacht 2
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- Schacht Erin 2 Hinweistafel (2014 nicht mehr vorhanden)
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- Schacht Erin 4 Hinweistafel im Jahr 2005
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- Schächte Erin 1/2 und 7 im Jahr 1958
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- Schächte Erin 1/2 und 7 im Jahr 2005
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- Erin Schacht 7 kurz nach der Stilllegung
-
- Erin Schacht 7 kurz nach der Stilllegung
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- Erin Schacht 7 im Jahr 2005
-
- Erin Schacht 7 im Jahr 2005
-
- Erin Schacht 7 im Jahr 2005
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- Gewerbepark Erin
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- Dienstleistungbereich im Gewerbepark
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- Erin Schacht 3 vor dem Umbau im Jahr 1929
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- Erin Schacht 3 mit Turmförderanlage im Jahr 1935
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- Erin Schacht 3 im Jahr 1986
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- Detail der Fassade
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- Erin Schacht 3 aus der Luft im Jahr 1971
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- Erin Schacht 3 im Jahr 2005
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- Erin Schacht 3 im Jahr 2005
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- Erin Schacht 5 im Jahr 1933 mit Abteufgerüst
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- Erin Schacht 5 im Jahr 1942
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- Erin Schacht 5 im Jahr 1954 nach dem Umbau
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- Erin Schacht 5 im Jahr 1984 mit dem neuen Gerüst
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- Erin Schacht 5 nach der Stilllegung
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- Erin Schacht 6 um das Jahr 1960
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- Erin Schacht 6 im Jahr 2005 mit neuem Blockheizkraftwerk
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- Erin Schacht 6 im Jahr 2005 - Protegohaube
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- Lothringen Schacht 6 im Jahr 1978 mit Befahrungshaspel
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- Modell eines Rammbetriebs in der steilen Lagerung
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- Rammkörper vor und im Einsatz
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- Einsatz in einem schmalen Flöz auf Graf Schwerin
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- Ein für die Bergleute extrem beengter Arbeitsplatz
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- Familie Mulvany vor dem Haus Goldschmieding im Jahr 1891
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- Teutoburgia Schacht 1 um 1927 nach der Stilllegung
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- Teutoburgia Schacht 1 um 1978
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- Teutoburgia Schacht 1 um 1978
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- Teutoburgia Schacht 1 um das Jahr 1985
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- Teutoburgia Schacht 1 um das Jahr 1985
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- Teutoburgia Schacht 1 um das Jahr 1985
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- Teutoburgia Schacht 1 um das Jahr 1985
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- Teutoburgia Schacht 1 im Jahr 2014
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- Teutoburgia Schacht 1 Detail
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- Teutoburgia Schacht 1 mit Fördermaschinengebäude
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- Fördermaschinengebäude
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- Kunstraum im Fördermaschinengebäude
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- Protegohaube über Schacht 1
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- Fördermaschinengebäude Fassadendetail
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- Teutoburgia Eingang zum Park
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- Teutoburgia Park mit stilisierten Grundmauern
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- Teutoburgia Park mit Riesenskulptur
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- Klangobjekt im Teutoburgia Park
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- Teutoburgiasiedlung Kettenbebauung am Südrand
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- Teutoburgiasiedlung mit einfachen Häusern von etwa 1910
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- Teutoburgiasiedlung jüngere Gebäude
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